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Wenn man eine Reise macht

Der Wind hatte zugenommen und das Schiff stampfte willig seinen Weg durch die Wellen des gerade beginnenden Morgens. Tau hatte das ganze Schiff in eine feuchte Wolke gehüllt.

Es war ruhig auf dem Schiff.

Nur der Obermaat schaute mit dem Fernglas vor den Augen ein wiederholtes Mal, ob es neues am Horizont zu entdecken gab.

Ding-Ding, Ding-Ding, die zwei Doppelschläge an der Schiffsglocke rissen den Seemann aus seiner Tätigkeit. Vier Glasen der ersten Tagwache, die auch als Morgenwache bezeichnet wird, gaben dem Seemann die Uhrzeit auf dem Schiff an. Es ist sechs Uhr am Morgen.

Zeit zum Purren wie das Wecken bei der Marine auch genannt wird.

Langsam, ein wenig staksbeinig, um das Kränken und Gieren des Schiffes auszugleichen, steigt der Wachhabende den Niedergang tief in den Bauch des Schiffes hinunter.

Ein lauter schriller Pfiff zerschneidet, die Stille der Nacht.

Laut und markant ertönt seine harte, kratzige Stimme und trifft die Schlaffenden mit seinem Weckruf wie ein Schlag.
„Reise, reise, ein jeder hebt sich aus der Hängematte, ein jeder stößt den nächsten an, der Letzte stößt sich selber an, reise, reise“. Sofort setzt rege Betriebsamkeit ein, um den sichtlichen Unmut des Obermaats nicht noch weiter zu treiben. Wer vor hundert oder mehr Jahren in die Ferne reisen wollte, hatte nicht viele Möglichkeiten, sich diesen Wunsch zu erfüllen.

Wer wohlhabend war, konnte eine Schiffspassage erwerben und angenehm im gewohnten Luxus die Reise genießen. Alle anderen vom Fernweh getriebenen hatten die Möglichkeit, sich bei der Marine zu bewerben oder bei einem Reeder der Handelsflotte anzuheuern. Dieser, der zweite Weg war eine Möglichkeit, aber der Preis die fernen Länder zu sehen, war hoch. Härteste und gefährlichste Arbeitsbedingungen machten das Leben im wahrsten Sinne zu einem Abenteuer, welches viele mit dem eigenen Leben bezahlten.

In den dreißiger Jahren des vorherigen Jahrhunderts kam im dritten Reich, in Deutschland erstmal mit der Bewegung KdF (Kraft durch Freude) eine Möglichkeit auf, mit zum Beispiel Schiffen ferne Länder zu erleben und zu sehen.

Nach dem Krieg gab es Anfang der sechziger Jahre den Italien Boom, es folgten Spanien und weitere Länder. Noch in den frühen Siebzigern waren Fernreisen ein wahrer Luxus.

Es gab bei den Airlines nur Linienflugtickets zu heute unvorstellbaren Preisen. Die Sucht nach dem jährlichen Urlaub treibt oft seltsame Stilblüten.

Der so schon knappe oder defizitäre Haushalt wird gnadenlos überfordert, sodass die nächsten Monate Schmalhans Küchenmeister ist, oder schlimmeres. Das Verlangen nach fremden Ländern scheint so stark, dass selbst Lebensbedingungen unter schon fragwürdigsten Umständen und Bedingungen willig akzeptiert werden.

Man kommt gestresst von der Arbeit.

Am folgenden Tag steht der Reiselustige gleich wieder mitten in der Nacht auf, um sich meist schlechtgelaunt und unausgeschlafen der ersten Herausforderung zu stellen. Mit dem Gepäck, bei dem man bis zu letzt sicher ist, etwas Wichtiges vergessen zu haben, zum Flugplatz zu kommen. Dort stellt man sich in eine Reihe mit Menschen, die man nicht kennt und weil auch diese offensichtlich gestresst sind, auch nicht kennen lernen möchte.

Dass diese auch sehr früh aufgestanden sind, kann selbst die hartgesottene Nase nicht ignorieren.

Die Schlacht um die Plätze im Flugzeug beginnt unerbittlich und wird mit nachdrücklicher Härte ausgetragen.

Sollten noch Reste guter Laune vorhanden sein, ist diese spätestens bei dem Blick auf die Gepäckwaage atomisiert. Die nun folgende, unvermeidliche Diskussion mit der auch unausgeschlafenen Dame am Check In ist gnadenlos aber nicht zu gewinnen.

Die vielen Stunden der Schlaflosigkeit zeichnen die finster blicken Gesichter.

Der Flieger landet und die Energie reicht noch für das sinnlose Klatschen für die geglückte Landung. Das der Pilot dies nicht hören kann und will? Die Fluggesellschaft mehrere hunderttausend Euro ausgegeben hat und das dies kein Zufall ist, interessiert hier keinen.

Jetzt nur noch drei weitere Stunden Transfer und der Urlaub kann beginnen.

Es folgt ein traumloser Schlaf in einem schlechten Bett, der letztendlich, dass zerstört, was die Sitze im Flugzeug nicht vollbracht haben. Die hellhörige Bauweise des Domizils am Urlaubsort versagt dem Erholungssuchenden seinen Anspruch darauf, endlich Ruhe zu finden. Zuhause hätte man längst mit Polizei oder hilfsweise unter Einsatz des Militärs für Ruhe gesorgt.

Aber hier im Urlaub ist das ja schön.

Die bekannten Szenarien mit Sonnenliegen, Taschendieben, korrupten Behörden und Beamten sind hinlänglich bekannt und sollen hier nicht weiter ausgeführt werden.

Nachdem Durchfallerkrankungen, Sonnenbrand und der eingetretene Stachel eines Seeigels das Besteigen des Fliegers unter Mithilfe der am Strand so verhassten Mitwettbewerber ermöglicht hat, geht das Ganze wieder rückwärts nach Hause.

Dort bräuchte man nach dem Urlaub erst einmal eine vierwöchige Einweisung in eine Reha-Klinik.

Aber auf Nachfragen der Kollegen war es ein Traumurlaub so richtig schön. Erholt habe man sich wahnsinnig und man könne das nur weiter empfehlen.

Für den Psychologen sind diese scheinbar schizophrenen Psychosen, mit einer ausgeprägten, narzisstischen Persönlichkeitsstörung, bei Erwachsenen, wohl zutiefst therapiebedürftig.

Der »normale« Mensch, macht es immer wieder und wieder, bis zur Selbstaufgabe.

Gibt es eine Alternative?

Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah.

Es muss nicht um jeden Preis immer eine Fernreise sein, um sich zu erholen.

 

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